Inhalt (75%)
Mittlerweile gibt’s praktisch mehr X-Men-Filme mit den jüngeren Mutanten als mit den ursprünglichen – wenn man im engen Kosmos bleibt und die Wolverine- sowie Deadpool-Ableger außen vor lässt. Der direkte Vorgänger von X-Men: Dark Phoenix war allerdings schwerfällig, zäh, deutlich zu lang und hatte einen Bösewicht ohne Tiefe und Charisma. Viel mehr konnte man kaum falsch machen, wenn man die eigentlichen Tugenden der erfolgreichen Filmreihe kennt. Und so war Apocalypse leider der Tiefpunkt des Neustarts rund um die Mutanten. Kein Wunder, dass man beim Nachfolger auf frisches Blut setzte und Simon Kinberg die Regie anbot. Na ja, halbwegs frisches Blut. Denn Kinberg hatte immerhin die Drehbücher zu drei Filmen der Reihe geschrieben. Ob er deshalb bei seinem Regiedebüt die beste Wahl für eine 200 Mio. Dollar Produktion war?
Die Zuschauer sahen das nicht so. Mit einem weltweiten Erlös von 252 Mio. Dollar fuhr der aktuellste Film der Reihe knapp an einer Katastrophe vorbei. Der im Nachhinein schwache Apocalypse war sicherlich ein Grund, dass die Kinogänger vom Franchise irgendwie die Nase voll hatten. Welche Geschichte also sollte noch erzählt werden fragten sich viele. Und blieben dem Kino letztlich fern. Zu Unrecht, leider. Denn wo der direkter Vorgänger versagte, landet Dark Phoenix Volltreffer: Der Charakterisierung der Figuren. Wie es der Titel erahnen lässt, geht es im jüngsten Teil um Jean Grey. Darum, wie sie erstmals ihre Fähigkeiten einsetzte und eine Tragödie auslöste. Wie die Erinnerungen an dieses Erlebnis und eine Steigerung ihrer Kraft dazu führt, dass sie den „dunklen Phönix“ entfesselt und sich gegen alles und jeden richtet. Die Szenen, in denen Sophie Turner (Game of Thrones) die Wut und den Schmerz ihres jungen und mit so viel Macht ausgestatteten Wesens entfesselt, sind kraftvoll und werden für den Zuschauer mit nachvollziehbaren Motiven angereichert.
Dass man dafür sogar drastische Momente einfließen lässt, sorgt für ein paar überraschende und ziemlich schockierende Momente. Denn, nicht vergessen: Wir befinden uns in einer alternativen Zeitlinie. Die Ereignisse, die in den ersten drei X-Men-Filmen geschildert werden, werden hier nicht linear aufgebaut. Tatsächlich werden hier aber unterschiedliche Fronten aufgebaut, was wiederum für einen gewissen Reiz und eine interessante Abwechslung sorgt. Dass es in X-Men: Dark Phoenix (zunächst) keinen klassischen Bösewicht gibt, der gemeinschaftlich bekämpft wird, sondern das Konfliktpotenzial aus den inneren Spannungsverhältnissen der Mutanten herrührt, lässt den Film intimer und weniger groß angelegt wirken – ein wohltuender Schritt zurück, wenn man vom globalen Zerstörungsszenario des Vorgängers ausgeht. Was Dark Phoenix dabei etwas kürzer kommen lässt, sind die groß angelegten Actionsequenzen. Meist finden die Fähigkeiten der Mutanten innerhalb der Gruppen selbst Anwendung und es kommt zu häufigem Kräftemessen – sieht man von der eröffnenden Rettungsaktion im Weltall ab, die mit spektakulären Bildern ein echtes Fest (nicht nur) für Fans des Nightcrawlers ist. Und natürlich vom Finale, das nicht mit optischen Reizen geizt und letztlich zeigt, wo ein guter Teil des Budgets geblieben ist.
Es offenbart aber auch die größte Schwäche des Films, womit sich ein wenig die Story von Bryan Singer wiederholt. Hatte der mit Apocalypse das einst von ihm so spektakulär eingeführte Franchise auf einen neuen Tiefpunkt gebracht, wollte Kinberg es besser machen als er es selbst zuvor getan hatte. Denn im Prinzip hatte er die Geschichte von Jean Grey mit seinem Skript zu Der letzte Widerstand ja bereits erzählt. Offenbar aber nicht zu seiner eigenen Zufriedenheit, weshalb er mit Dark Phoenix näher an den Original Comicvorlagen bleiben wollte. Die alternative Zeitlinie erlaubte es ja. Allerdings gerät Jeans Verhalten im Finale dann doch nicht ganz so anders wie im dritten Teil der Reihe. Und damit es überhaupt zu einem Showdown kommt, benötigte man noch diesen Endgegner. Den zauberte man kurzerhand aus dem Hut und schnitt ein paar Sequenzen mit Jessica Chastains Vuk zwischen, damit’s nicht gar so überraschend kommt. Inhaltlich wirkt das aber unglücklich und steht auf wackligen Füßen. Vielleicht hätte man besser so mutig sein sollen, Jeans Geschichte rein innerhalb der Mutanten zu erzählen. Zumal es hier einige interessante Aspekte gibt – wie beispielsweise die ignorante Überheblichkeit, die Charles an den Tag legt, wenn er meint, alles in den Griff bekommen zu können. Und die gleich mehrfach dazu führt, dass er sich sein Versagen eingestehen muss.
- Dieser Artikel hat Deutsche Sprache und Untertitel.
- Turner, Sophie, Lawrence, Jennifer, McAvoy, James (Schauspieler)
- Kinberg, Simon (Regisseur)
- Zielgruppen-Bewertung: Freigegeben ab 12 Jahren
Bildqualität (90%)
X-Men: Dark Phoenix volldigital aufgezeichnet. Am Ausgang lagen 2.8K an, was für das Digital Intermediate aber erwartungsgemäß auf 2K runterskaliert und für die UHD entsprechend wieder hochgerechnet wurde. 20th Century Fox gab der Disk überdies natürlich einen im Rahmen von Rec.2020 erweiterten Farbraum sowie die höhere Kontrastdynamik HDR mit. Letzteres im statischen Format HDR10 sowie im dynamischen HDR10+. Da die bisherigen UHDs des Anbieters, die mit HDR10+ gemastert wurden, praktisch keinen Vorteil gegenüber dem statischen HDR10 brachten, wird spannend sein, ob sich das mit diesem Release geändert hat. Zunächst einmal zur grundsätzlichen Bildqualität der UHD per HDR10: Wunderbar gelingen der Disk die Close-ups, die trotz der nur hochskalierten Disk teils von exorbitant guter Schärfe und Detailtiefe sind. Die Abdunklung des Masters hält sich einigermaßen in Grenzen und gerät im Vergleich zur Blu-ray nicht zu stark. Dazu haben Farben durchweg mehr Punch, übertreiben es nur in ein paar wenigen Gesichts-Szenen (McAvoy kurz vor dem Abspann) mit zu sonnengebranntem Teint. Hier wirkt die Blu-ray an sich etwas stimmiger und weniger übertrieben. Ansonsten kommen Hauttöne in gut ausgeleuchteten Szenen sehr natürlich und kräftig rüber. Schwarzwerte sind zudem knackiger und verflachen nicht, wie zuletzt bei einigen HDR10-Auswertungen wie Hellboy: Call of Darkness.
Das lässt dann vor allem die All-Szenen viel schwärzer und dynamischer wirken. Sterne und der farbige Energie-Nebel zu Beginn liefern dazu tolle HDR-Highlights. Selbst aus dem X-Men-Flugzeug heraus fotografiert wirkt die unendliche Weite des Weltalls tiefer. Außerdem werden Farben auf den Wiesen besser differenziert. Schauen wir uns nun HDR10+ an. Gibt’s nun endlich mal einen Unterschied zu HDR10? Die Antwort ist: Nein. Leider. Nach wie vor sieht das HDR10+-Bild identisch aus wie das HDR10-Bild. Getestet auf einem Panasonic TX-55GZW954 mit jüngstem Firmware-Update wurden unterschiedlichste Kontrast- und Helligkeits-Situationen visuell miteinander verglichen – mit dem Ergebnis, dass es weder im Kontrastverhalten noch in der Farbdarstellung Unterschiede gibt.
- Dieser Artikel hat Deutsche Sprache und Untertitel.
- Turner, Sophie, Lawrence, Jennifer, McAvoy, James (Schauspieler)
- Kinberg, Simon (Regisseur)
- Zielgruppen-Bewertung: Freigegeben ab 12 Jahren
Tonqualität (90%)
Der dts-Ton ist – gegenüber den Tonspuren vom neuen Mutterkonzern Disney – mal wieder ein Musterbeispiel für das, was man aus einem komprimierten Sound herausholen kann. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Es wäre schön, wenn der Anbieter mal verlustfreie deutsche Tonspuren ablegen würde. Aber weil die Chancen gering bleiben, muss man eben nehmen, was man kriegen kann. Und man bekommt einen sehr gut aufgelegten, mit satter Dynamik abgemischten Sound, der schon bei der Kollision der Fahrzeuge nach 2’16 einen Bass-Sweep ins Heimkino jagt, dass Vorspeise und Hauptgericht des Abendessens sich im Magen gut vermischen. Das mag der englische Ton in dts-HD-Master noch mal etwas vehementer produzieren. Aber für sich genommen, ist das bereits ein vorzüglicher Start. Was der Sub dann wiederum beim Start des Space Shuttles oder des X-Men-Fighters abliefert, lässt den Erdboden beben und ist ein echter Endstufen-Killer. Was hier an raspelndem Brutalo-Bass abgeliefert wird, hat man so auch noch nicht gehört. Klasse sind aber auch die feinen und feiner detaillierten Szenen. Wenn Charles in Jeans Kopf unterwegs ist und mentalen Kontakt aufnimmt, wispern Stimmen leise und windartige Geräusche umwehen den Zuschauer. Wenn man Kritik üben möchte, dann vielleicht an einer etwas weniger gut differenzierten Sequenz nach 75 Minuten. Wenn Erik die U-Bahn aus dem Untergrund holt, fehlt’s etwas an Feinheit und an detaillierteren Geräuschen. Es ist aber im Prinzip die einzige Szene, die etwas nachlässig vertont wirkt.
Die UHD von Dark Phoenix liefert ein Upgrade für den englischen Sound. Dieser liegt nun in Dolby Atmos vor, während die Blu-ray noch mit 7.1-dts-HD-Master für fetzigen Ton sorgte. Der deutsche Ton bleibt, Fox-typisch, bei dts 5.1. Betrachten wir die reguläre Ebene für sich, so klingt die Dolby-Variante der dts-HD-MA-Fassung von der Blu-ray praktisch komplett ebenbürtig. Bassgewalt, Surroundaktivität und Stimmwiedergabe sind gleichermaßen hochwertig. Nehmen wir die Höhen-Ebene hinzu, spielt nach zwei Minuten das Radio mit coolen Signalen verrückt und beim Turnaround des Autos kracht, ächzt und klirrt es rundherum – ein hervorragender Einstand in den Film. Und weiter geht’s nach etwas über zehn Minuten, wenn fest steht, dass der Jet der X-Men eigentlich nicht fürs All gemacht ist. Es quietscht und rappelt rundherum und wandert perfekt ortbar objektbasiert über die vier Deckenlautsprecher – ein klasse Effekt.
Dazu kommen die Momente, in denen Jean entweder Visionen hat oder von ihren Kräften überwältigt wird. In diesen werden die Heights ebenso sehr aktiv mit einbezogen wie in den Momenten, in denen Charles mit Cerebro auf Spurensuche geht. Nach 66 Minuten wird es dann wieder sehr lebhaft, wenn Jean von Vuk eine Lektion in Geschichte erteilt bekommt. Sensationell ist dann das Laufen auf dem Zug sowie (hier dann korrekt) die sägenden Rotor-Blätter des Hubschraubers nach 85 Minuten. Klasse, wenn man das Gefühl hat, die Aliens auf dem Zug wandern direkt auf den eigenen Köpfen herum. Im Kampf, der sich daraufhin entspinnt, gibt es dann auch immer wieder explizite 3D-Sounds. Berstendes Metall, Blitze, den fahrenden Zug selbst – das ist schon ein schönes Komplett-Erlebnis, das man hier präsentiert bekommt. Denn die reguläre Ebene gibt währenddessen ja ebenfalls ordentlich Gas.
- Deutsch: DTS 5.1 (90%) 2D-Betrachtung
- Englisch: Dolby Atmos (90%) 2D-Betrachtung
- Englisch: Dolby Atmos (70%) 3D-Betrachtung (Quantität)
- Englisch: Dolby Atmos (85%) 3D-Betrachtung (Qualität)
Bonus (70%)
Das Bonusmaterial liegt, mit Ausnahme des auch auf der UHD zu findenden Audiokommentars von Simon Kinberg und Hutch Parker, komplett auf der Blu-ray. Es beginnt mit fünf wahlweise kommentierten entfernten Szenen und bietet überdies zwei Featurettes. Während in „Beast erklärt, wie man einen Jet in den Weltraum fliegt“ Darsteller Nicholas Hoult ein paar improvisierte Fun Facts zum Raumschiff-Flug gibt, kümmert sich das fünfteilige „Aufstieg des Phönix: Making-of Dark Phoenix“ um den kompletten Prozess der Produktion. In reichhaltigen 80 Minuten gibt es Einblick in die Story an sich. Außerdem erfahren wir, dass Simon Kinberg vor allem von Jennifer Lawrence überredet wurde, endlich mal die Regie zu übernehmen. Natürlich kümmert man sich auch um die Besetzung des Films, konzentriert sich dabei auf die Jean-Darstellerin Sophie Turner. Außerdem erfahren wir mehr über das außergewöhnliche Produktionsdesign über den Schnitt und über die Special Effects. Hier zeigt man auch einmal Respekt vor den Regisseuren, die sich um die Detailszenen kümmern – Second Unit Directors, wie man sie nennt. In Dark Phoenix ist das Guy Norris, der sich um die Special-Effect-Shots kümmert und genau geplant sein mussten.
Gesamtbewertung X-Men: Dark Phoenix (86%)
Es ist anzunehmen, dass X-Men: Dark Phoenix der letzte Teil des Franchise ist und bleiben wird – was schade ist. Denn nach dem wirklich schwachen Apocalypse zeigt die Formkurve wieder deutlich nach oben. Kinbergs Film findet zurück zur Charaktertiefe der alten Filme und bewegt sich in der Grauzone von Gut und Böse. Fast trumpft Dark Phoenix mit allen alten Tugenden auf und liefert dazu ein paar ziemlich atemberaubende Actionszenen. Im Kino hat er sich damit deutlich unter Wert verkauft und sollte im Heimkino eine weitere Chance bekommen. Was nicht schwer sein sollte, wenn man auch noch das hervorragende Bild der BD und UHD sieht und sich den effekt- und druckvollen Sound anhört. Viel gibt’s an der Technik hier nicht auszusetzen – sieht man davon ab, dass HDR10+ (vor allem im Vergleich zu Dolby Vision) nach wie vor eine Mogelpackung zu sein scheint.
- Dieser Artikel hat Deutsche Sprache und Untertitel.
- Turner, Sophie, Lawrence, Jennifer, McAvoy, James (Schauspieler)
- Kinberg, Simon (Regisseur)
- Zielgruppen-Bewertung: Freigegeben ab 12 Jahren
Technische Details & Ausstattung:
Erscheinungstermin: | 17. Oktober 2019 | Review am: | 23. Oktober 2019 |
Erscheinungsjahr Film: | 2018 | Laufzeit: | 114 Minuten |
Filmstudio: | 20th Century Fox | FSK: | ab 12 Jahre |
Auflösung / Bildfrequenz: |
2160p @ 24p | Untertitel: |
Deutsch, Englisch |
Bildformat: |
2.35:1 / 16:9 | Tonspur: |
Deutsch DTS 5.1 Englisch Dolby Atmos |
High Dynamic Range: |
HDR 10 HDR 10+ |
Ausstattung: |
4K Blu-ray HD Blu-ray |
Testgerät TV: | LG OLED55B7D | Testgerät Player: | Panasonic UB9004 |
X-Men: Dark Phoenix Trailer:
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