Mit Smartphones lassen sich heute sowohl 4K- als auch gar 8K-Videos drehen. Um brauchbare Ergebnisse zu erhalten, ist ein Gimbal eine feine Hilfe. Mit dem Zhiyun Smooth Q3 testen wir ein solches Exemplar.
Das neue Gimbal Zhiyun Smooth Q3 ist Mitte Mai 2021 erschienen. Zur Erinnerung: Wir hatten 2019 auch das direkte Vorgängermodell getestet. Es handelt sich abermals um einen Drei-Achsen-Gimbal, allerdings hat der Hersteller das Design völlig neu aufgezogen. Der Hersteller bewirbt da natürlich ein optimiertes Button-Layout und eine erhöhte Ergonomie. Wir sind zumindest teilweise anderer Meinung, wie wir aber später noch genauer aufschlüsseln.
Zhiyun legt das Smooth Q3 Vloggern und Influencern nahe bzw. jedem, der gerne mit dem Smartphone Videos dreht und diese über soziale Netzwerke teilen möchte. Ein Alleinstellungsmerkmal des neuen Modells ist, dass nun ein Videolicht direkt integriert ist. Das ist in der Tat für ein Gimbal durchaus innovativ. Zhiyun verspricht, dass hier über die LED ein warmes 4.300k-Licht erzeugt werde. Die Helligkeit kann in drei Stufen angepasst werden.
Auch gibt es nun eine neue App: Sie nennt sich ZY Cami. Von der vorherigen Gimbal-App des Herstellers, ZY Play, waren sowohl wir als auch die meisten Anwender weniger begeistert – im Google Play Store steht sie bei einer Durchschnittsbewertung von 2,4 Sternen. Wer nun hoffnungsvoll wird: Die neue App ZY Cami erntet bisher eine durchschnittliche Bewertung von 2,3 Sternen, schneidet also noch schlechter ab.
Ausstattung und Verarbeitung
Bevor wir uns jedoch in Einzelheiten verlieren, zunächst ein paar generelle Dinge zum Zhiyun Smooth Q3. Das Gimbal ist in Deutschland für 89 Euro erhältlich. Es gibt aber auch ein Bundle zum Preis von 109 Euro, das zusätzlich, eine VIP-Card, eine Schutztasche und eine Handschlaufe enthält. Ein Ladekabel und ein kleines Stativ sind in beiden Fällen dabei. Dass die Handschlaufe wiederum nur beim Kombo-Bundle enthalten ist, verwundert eher.
Technische Eckdaten des Zhiyun Smooth Q3
- Drei-Achsen-Gimbal
- Akkulaufzeit: ca. 15 Stunden
- Ladezeit: Drei Stunden
- Maximale Gewichtsbelastung durch Smartphone: 280 g
- Smartphone-Dicke: 7 – 10 mm
- App: ZY Cami
- Bedienung: Analog-Stick, Aufnahme- und Modus-Tasten, Power-Button, Zoom Regler an der Seite, Trigger an der Rückseite, Lichtschalter
- App-Funktionen: Dolly-Zoom, Zeitlupe
- Maße: 45 x 154 x 180 mm (Eingezogen) / 90 x 127 x 279 mm (Ausgezogen)
- Gewicht: 340 g
- Preis: 89 Euro
Leider macht man bei den Materialien im Vergleich mit dem Vorgängermodell dem Smooth Q3, Rückschritte: Setzte der Q2 zumindest teilweise auf Aluminium und fühlte sich generell wertig an, so ist der Q3 ein reiner „Plastikbomber“. Der Griff ist nochmals merklich geschrumpft, was die Ergonomie komplett verändert. Am oberen Bereich muss zudem eine Schraube manuell lose gedreht werden, um die Smartphone-Halterung nach oben zu schieben, bevor das Gimbal effektiv genutzt werden kann. Das sorgt für einen möglichen Verschleiß und könnte für diejenigen nervig sein, die das Accessoire häufig transportieren.
Ansonsten sind die Bedienelemente gut platziert, zum Teil aber nur mit der offiziellen App nutzbar – etwa die Zoomfunktion. Generell wirkt das Design des Smooth Q3 aber leider deutlich minderwertiger als beim Vorgängermodell, fast so, als hätte ein völlig anderes Team das Gimbal gestaltet. Beispielsweise zieht sich an der Seite ein Plastikspalt entlang, in den man leicht mit dem Fingernagel haken kann. Das Polcarbonat wirkt eher günstig und generell werden diejenigen, die das Vorgängermodell genutzt haben, von Look & Feel ernüchtert sein.
Praxistest
Gleich vornweg eine Anmerkung zu der aus unserer Sicht wesentlichen Verbesserung gegenüber dem Vorgängermodell: der LED-Leuchte. Die ist in der Tat erstaunlich hell und eine ziemlich coole Lösung. Dadurch sind z. B. Vlogs bei wenig Licht möglich. Hier hat Zhyiun in der Tat eine erstklassige Idee gehabt, die für viele Videos spannend sein dürfte.
Wer die App ZY Cami außen vor lässt, kann nur einige Bedienfunktionen des Gimbals verwenden – etwa funktioniert das Zoomen nur in der App des Herstellers. Somit wird der Smooth Q3 dann in erster Linie zu einem Gerät, welches das Bild stabilisiert und Kamerafahrten erleichtert. Die Modi-Taste erlaubt es dabei jederzeit zwischen Pan/ Follow, Lock, Follow und POV umzuschalten. Eher nervig: Beim Start wird stets zunächst im Portrait-Format gefilmt, nicht im Landscape-Modus. Das zeigt wohl, dass Zhiyun hier tatsächlich mehr Vlogger als Zielgruppe ansieht. Um das Format zu wechseln, muss der Trigger an der Rückseite dreimal schnell hintereinander betätigt werden.
Jener Button erlaubt es auch Smart Following zu aktivieren oder den Phone Go Mode, der im Wesentlich die Reaktionsgeschwindigkeit zulasten der Akkulaufzeit nochmals beschleunigt und so z. B. schnelle Schwenks erlaubt. Ihr könnt den Gimbal über einen Lock-Button zudem sperren, dann schwenkt er gar nicht mehr mit. Wie ihr das Videolicht aktiviert? Dafür streicht ihr mit dem Finger über die kapazitive Oberseite. Die LED-Leuchte sitzt über der Smartphone-Halterung und kann mit einem Handgriff um 180° gedreht werden.
Zhiyun Smooth Q3 im Videovergleich:
Wir haben verschiedene Videos gedreht, um euch das Gimbal im Einsatz zu demonstrieren. Dabei haben wir es absichtlich „übertrieben“ und sind mit dem Gerät auch kurz gelaufen. Über die App ZY Cami stehen im Übrigen auch noch erweiterte Funktionen bereit, wie AILive, was via Facetracking bei Vlogs euer Gesicht immer im Fokus halten soll. Aber eben nicht so schön, dass man dafür die mehr schlechte als echte Hersteller-App benötigt.
Wie ihr anhand der Videos erkennen könnt, ist die Stabilisation weder besser noch schlechter als beim Vorgängermodell. Im Wesentlichen solltet ihr eure Kaufentscheidung also von eurer Vorliebe im Hinblick auf das Design, die Ergonomie und den Nutzen, den ihr aus der Videoleuchte zu ziehen hofft, abhängig machen. Zur Akkulaufzeit möchten wir anmerken, dass die 15 Stunden realistisch sind, wenn die LED ausgeschaltet ist. Je nach Verwendung und Beanspruchung der Motoren sind aber sowohl kürzere als auch längere Betriebsdauern denkbar.
Weitere Anmerkungen
Die anderen Benutzer sollten mit ihren Bewertungen Recht behalten: Die App ZY Cami ist noch schlimmer als der Vorgänger ZY Play. Das fängt schon beim Registrierungsprozess an, der uns anbietet, dass wir uns via Facebook einloggen. Wir können zwar die Konten verknüpfen und Zhiyun so einige unserer Daten einsehen, dennoch sollen wir uns anschließend per E-Mail registrieren. Also löschen wir die Verknüpfung wieder und gehen dann diesen Weg. Was uns nach der Registrierung erwartet, ist geballte Werbung für ein Abonnement namens „Zhyiun Prime“, das zusätzliche Vorteile verspricht: etwa neue Möglichkeiten Videos zu deditieren oder 4K-Videos in der Cloud zu sichern. Das erste halbe Jahr ist kostenlos, danach sollen 22,49 Euro im Jahr anfallen.
Wollen wir uns die Nutzungsbedingungen oder Datenschutzbestimmungen durchlesen, denen wir dafür zustimmen sollen, erhalten wir aber nur eine Fehlermeldung. Deswegen haben wir darauf verzichtet. Doch auch sonst wirkt die App sehr chaotisch und krankt an technischen Unzulänglichkeiten. 4K-Videos sind etwa an unserem Testgerät, einem Xiaomi Mi 11, nur mit 30 fps möglich, obgleich das Smartphone 4K bei 60 fps beherrscht. Andere versprochene Funktionen wie die Zeitlupe sind nicht zu finden oder funktionieren nicht korrekt (Dolly Zoom).
Unsere Meinung: Zhiyun will zu viel auf einmal und liefert daher eine wirklich schreckliche App ab. Wir raten daher: Spart euch das Anlegen eines Benutzerkontos und nutzt das Gimbal zur reinen Stabilisierung. Es ist zwar schade, dass dann einige Bedienfunktionen nicht korrekt genutzt werden können, aber mit der App ZY Cami geht ohnehin jeglicher Spaß verloren. Zumal die Videos wesentlich schlechter komprimiert sind als mit der Standard-Kamera-App von Xiaomi oder gar Filmic Pro.
Fazit
Der Zhiyun Smooth Q3 ist in den meisten Aspekten aus unserer Sicht leider ein Rückschritt zum Vorgängermodell: Die Verarbeitung wirkt deutlich plünniger und die verwendeten Materialien machen weder optisch noch haptisch etwas her. Da sind wir einfach von den anderen Gimbals des Unternehmens Besseres gewöhnt. Generell ist das Design nicht das Gelbe vom Ei, denn auch das Ein- und Ausfahren passt nur, wenn die Ausrichtung genau stimmt.
Hielten wir die vorherige App ZY Play schon für schlimm, so setzt ZY Cami im negativen Sinne eins drauf: Schon, dass man dem Anwender ein kaum aufgeschlüsseltes Abonnement aufschwatzen will, weder Nutzungsbedingungen noch Datenschutzbestimmungen zum Zeitpunkt unseres Tests aber korrekt abrufbar waren, geht gar nicht. Generell ist die App äußerst chaotisch und benutzerunfreundlich. Zumal wir einige beworbene Funktionen nicht vorfanden – etwa die Zeitlupe. 4K-Videos mit 60 fps unterstützte ZY Cami in Verbindung mit unserem Xiaomi Mi 11 ebenfalls nicht.
So müssen wir ein eher verhaltenes Fazit ziehen, denn uns gefiel das Gimbal Zhiyun Smooth Q2 im Gesamteindruck deutlich besser. Lediglich die integrierte Videoleuchte des Q3 ist tatsächlich eine fantastische Idee und aus unserer Sicht im Vergleich mit dem Q2 der einzige Grund zum Nachfolger zu greifen. Wer die LED nicht benötigt, ist mit dem Q2 besser beraten, denn der stabilisiert Videos genau so gut.