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Folgt man der Studie der beiden Analysten Livio Bioglio und Ruggero G. Pensa, die diese über Applied Network Science publizierten ist Alfred Hitchcock der einflussreichste Regisseur aller Zeiten. Sein 1960er Psycho landet unter den einflussreichsten Filmen immerhin noch auf Platz 3 (nach Der Zauberer von Oz und Star Wars). Beide Punkte kann man mit Sicherheit vertreten. Umso erstaunlicher, dass Psycho eigentlich ein betont „kleiner“ Film des Regisseurs gewesen ist. Gut ein Jahr nach Der unsichtbare Dritte kehrte Hitchcock ganz bewusst den großen und hoch budgetierten Hollywoodproduktionen den Rücken, um etwas „ganz anderes“ zu machen. Es war die Zeit, in der kleinere B-Movies Erfolge an den Kassen hatten und als er über die Buchvorlage von Robert Bloch stolperte, sicherte er sich für den recht geringen Betrag von 9.000 Dollar die Rechte an dem Schauerroman. Hitch blieb beim Kauf der Rechte im Hintergrund.
Ebenso „heimlich“ ließ er danach einen großen Teil der Auflage kaufen, damit die Öffentlichkeit das Ende der Vorlage nicht schon kennen würde, wenn er seine Filmadaption ins Kino brächte. Tatsächlich hatte es dem Regisseur vor allem die für die damalige Zeit sehr überraschende Wendung in der Mitte des Films angetan. So etwas gab es seinerzeit nicht – und schon gar nicht in der Deutlichkeit. So deutlich im Buch, dass Hitchcock die Szene für den Film entschärfen ließ. Denn was im Kino „nur“ mehr ein Messermord ist, ging in Blochs Roman bis zur Enthauptung. Dies wollte Hitchcock seinem Publikum offenbar nicht zumuten. Auch die Entscheidung, in Schwarzweiß zu drehen, lässt Rückschlüsse darauf zu, dass der Kultregisseur die optischen Eindrücke etwas reduzieren wollte.
Dass es dennoch dazu reichte, dass Kinozuschauer schreiend den Saal verließen und die legendäre Szene unter der Dusche (vor allem) in den USA eine wahre Duschphobie auslöste, wird dem Regiemeister durchaus ein zufriedenes innerliches Lächeln abgerungen haben. Die mit 78 Einstellungen und 52 Schnitten umgesetzte, dreiminütige Sequenz ist sicherlich auch heute noch eine der berühmtesten, wenn nicht DIE berühmteste Filmszene aller Zeiten. Nachhaltig beeinflusste Hitchcock damit die Filmwelt und stürzte den Zuschauer gleichzeitig in einen Strudel aus Emotionen. Immerhin geschieht dieser Mord völlig unvorbereitet, unerwartet und lenkt Psycho in eine komplett andere Richtung.
Faszinierend ist, dass nicht nur diese Sequenz, sondern auch die grundsätzliche Suspense des Films auch 60 Jahre nach seiner Uraufführung noch packen. Unabhängig von heutigen Sehgewohnheiten und fiesen Soundeffekten des jungen Horrorkinos zeigt sich, dass Hitchcock nicht umsonst ein Meister seines Fachs war. Beleuchtung, Kameraeinstellungen und -fahrten (schon die Eingangssequenz ist herausragend gefilmt), Blickwinkel und visuelle Ideen sind in Psycho meisterlich miteinander verknüpft. Und nicht nur das. Ergänzt um die heute legendäre und damals den Schauer perfekt untermalende Filmmusik von Bernard Herrmann entwickelt der Schocker selbst sechs Jahrzehnte später noch eine unbequeme Gänsehaut. Sobald die bekannten Streichertöne erklingen, sind alle Sinne angespitzt – selbst wenn man den Film schon zigmal gesehen hat.
Die Entscheidung (auch aus Budgetgründen), auf die ganz großen Hollywood-Schauspieler zu verzichten und Darsteller aus der zweiten Reihe zu nehmen, erwies sich gleichzeitig als glücklich. Ein James Stewart als Norman Bates? Eine Grace Kelly als Marion? Aus heutiger Sicht undenkbar. Anthony Perkins hingegen war den meisten aus TV-Rollen bekannt. Gerade seine zurückgenommene Darstellung, seine introvertierte Art, den Norman Bates zu spielen, machte die Dynamik des Films erst möglich. Wie konnte ein so höflich und freundlich auftretender Mensch derartige Abgründe beherbergen – sicherlich das, was die Zuschauer am Ende am meisten geängstigt hat.
Perkins wurde die Rolle des Norman Bates zwar nie mehr so richtig los (schon alleine aufgrund der Fortsetzungen), aber vielleicht war er auch nie besser als hier. Janet Leigh auf der anderen Seite war das bekannteste Gesicht des Casts. Ein besonders genialer Kniff von Hitchcock, sie in der Rolle der Marion zu besetzen. Denn das machte den Schock in der Mitte des Films noch wirkungsvoller. Psycho, das dürfte selbst dem jüngeren Filmfan nach der Sichtung klar sein, ist in der Summe seiner Einzelteile (vom Drehbuch über die Regie, Kameraarbeit, Musik und die Darsteller) ein nahezu perfekter Thriller – und einer, der seinen Einfluss aufs Horror-/Thriller-Kino noch heute ausübt.
- Anthony Perkins, Janet Leigh, Vera Miles (Schauspieler)
- Alfred Hitchcock(Regisseur)
- Zielgruppen-Bewertung:Freigegeben ab 12 Jahren
Bildqualität (80%)
Psycho wurde damals wahrlich nicht mit dem modernsten Equipment auf 35mm Film aufgezeichnet. Dem Thriller haftet bis heute ein schmuddeliger und bewusst grober Look an. Diesen mit größtmöglicher Authentizität herzustellen, sollte der Fokus von Universal gewesen sein. Und das ist weitgehend gelungen. Mit einem 4K-Scan wurde das Bild neu abgetastet und im Anschluss sichtbar von Blitzern, Schmutz oder Störstreifen befreit. Dann bekam der Film seine HDR10-Bilddynamik. Auch wurde er im Rahmen von Rec.2020 gemastert, wobei dies auf einen Schwarz-Weiß-Film natürlich keine direkten Auswirkungen hat.
Schaut man sich die UHD intensiv an, sollten die Zweifel an ihrer nativen 4K-Herkunft bald ausgeräumt sein. Denn gerade in der Tiefe ist die Auflösung sichtbar besser. Diesen Vorsprung an Feinzeichnung auf Objekten in der Ferne hätte ein 2K-Upscale nicht hinbekommen. Exemplarisch gut zu sehen ist das vor allem in der Tiefe (bspw. bei den Feinheiten im Kirchturm nach knapp 87 Minuten). Geblieben sind allerdings die Auflösungsprobleme in der Jalousie während der Kamerafahrt ins Hotelzimmer zu Beginn des Films, die auch die auf dem 4K-Remaster basierende neue Blu-ray noch zeigt. Das scheint also eher schon aufnahmeseitig nicht ganz gut gelaufen zu sein.
Was die Kontrastierung angeht, ist die UHD von Psycho zwar nicht wesentlich heller und kräftiger, dafür aber etwas homogener im Look. Die dunklere Abstimmung bewirkt allerdings ein etwas mausgraueres Bild. Im Zusammenspiel mit der Körnung, die noch mal feiner und filmischer ist, wird die Abstimmung nicht jeden Geschmack treffen. Sie passt indes sehr gut zum Look des Films an sich. Gegenüber der neuen Blu-ray werden plastische Details sichtbarer hervorgehoben und wirken dreidimensionaler. Auch das ist vor allem bei Hintergründen erkennbar. Wenn man kein Hochglanz-Bild erwartet, komplimentiert die UHD Hitchcocks Kultfilm wirklich sehr gut.
- Anthony Perkins, Janet Leigh, Vera Miles (Schauspieler)
- Alfred Hitchcock(Regisseur)
- Zielgruppen-Bewertung:Freigegeben ab 12 Jahren
Tonqualität (70%)
Die bisherige Blu-ray von Universal lieferte den deutschen Ton in 2.0 Mono, kodiert in Dolby Digital. Von der durfte man natürlich keine Wunder erwarten. Sie klang etwas dünn und statisch. Dialoge allerdings kamen sauber und klar zum Gehör. Speziell Perkins‘ Synchronstimme ist sehr präsent, was für eine 60 Jahre alte Synchro wirklich lobenswert ist. Die legendäre Filmmusik wirkt manchmal allerdings nicht wirklich angenehm im Ohr.
Die 2020er BD bietet erneut nur einen Mono-Ton, dieses Mal jedoch in DTS-Kodierung und einer ganz hörbar anderen Abmischung. Er klingt wesentlich offener, klarer und integriert mehr Höhen, wo die bisherige Fassung dumpf und krachig tönte. Ärgerlich für Fans des historischen O-Tons: Die als „original theatrical audio“ auf BD und UHD gekennzeichnete Mono-Spur ist NICHT die originale Monospur. Gut erkennbar bei Minute 25’55: Wo die originale Monospur von dominanter Musik (und etwas Regen) zeugt, rauschen bei der neuen BD und der UHD-BD hörbar Autos an der Kamera vorbei. Da dies ein „neuer“ Soundeffekt der 2013er 5.1-Spur ist, liegt die Vermutung nahe, dass man diesen als Grundlage nahm und einen Mono-Downmix erzeugte.
Parallel warten sowohl die neue BD als auch die UHD-BD mit einer englischen DTS:X-Spur auf. Die klingt insgesamt noch etwas luftiger als die alte 5.1-Fassung und pumpt sogar bisweilen ordentlich Bass ins Heimkino. Ob das filmisch-authentisch ist, soll dann jeder Filmfan für sich beurteilen. Räumlich ist es in jedem Fall. Und nun auch noch um die Höhen-Ebene erweitert, die (und das ist dann doch erstaunlich) nicht nur die grandiose Filmmusik mit auf die Heights legt, sondern sehr realistisch auch den Regen, der ab Minute 26 aufs Autodach prasselt. Das passt hervorragend zur Atmosphäre, selbst wenn man ihn kurz darauf eigentlich nicht hören können dürfte, wenn Marion ihr Auto verlässt.
Aber noch mal zurück zur Filmmusik. Gerade während der treibenden Streicherpassagen brandet der Score sehr deutlich auch aus den Höhenspeakern mit auf, was für ein sehr immersives Erlebnis sorgt. Ähnlich offensiv ist dann auch die Duschszene vertont – insbesondere während der Momente, in denen die Kamera von unten in die Duschbrause schaut. Aber auch der aufregende Score mit den quietschenden Streichern wird in der Szene sehr präsent über alle neun Speaker verteilt. Besonders schaurig ist der 3D-Soundeffekt der nackten Glühbirne in der finalen Schockszene.
- Deutsch: DTS 2.0 (70%)
- Englisch: DTS:X (70%) 2D-Betrachtung
- Englisch: DTS:X (50%) 3D-Betrachtung (Quantität)
- Englisch: DTS:X (60%) 3D-Betrachtung (Qualität)
Bonus (80%)
Das Bonusmaterial von Psycho besteht größtenteils aus bereits bekannten Featurettes. Vorab allerdings liefern die neue BD und UHD den Film in der Kino- UND der Uncut-Fassung. Zwar läuft diese lediglich um knapp 18 Sekunden länger und enthält neben ein paar längeren voyeuristischen Blicken Normans durchs Loch in der Wand noch längere Einstellungen seiner blutigen Hände sowie ein paar Stiche mehr auf Arbogast. Dennoch ist es löblich, dass diese Fassung nun BD und UHD zieren.
Ansonsten gibt’s ein Making-of, diverse Bildergalerien von Werbeshots oder Hinter-den-Kulissen-Material. Dazu Featurettes wie „Im Schatten des Meisters“, in dem knapp eine halbe Stunde lang Kollegen wie Scorsese, Carpenter, Spielberg oder del Toro das Genie des Meisters zu umschreiben versuchen oder das viertelstündige Interview zwischen Hitchcock und Truffaut. Alle Specials sind deutsch untertitelt.
Gesamtbewertung Psycho (83%)
Psycho hat auch 60 Jahre später noch nichts von seiner schaurigen Faszination verloren. Die überraschenden Wendungen zur Mitte und am Ende des Films sind bis heute oft kopiert und nie wirklich erreicht worden. Ein Meisterwerk des Psycho-Thrillers, das nun mit absolut sauberem, sehr filmischem und hoch aufgelöstem Bild in bestmöglicher Qualität vorliegt.
- Anthony Perkins, Janet Leigh, Vera Miles (Schauspieler)
- Alfred Hitchcock(Regisseur)
- Zielgruppen-Bewertung:Freigegeben ab 12 Jahren
Technische Details & Ausstattung:
Erscheinungstermin: | 10. September 2020 | Review am: | 12. Oktober 2020 |
Erscheinungsjahr Film: | 1960 | Laufzeit: | 109 Minuten |
Filmstudio: | Universal | FSK: | ab 16 Jahre |
Auflösung / Bildfrequenz: |
2160p @ 24p | Untertitel: |
Deutsch, Englisch |
Bildformat: |
1.85:1 / 16:9 | Tonspur: |
Deutsch DTS 2.0 Englisch DTS:X |
High Dynamic Range: |
HDR 10 | Ausstattung: |
4K Blu-ray HD Blu-ray |
Testgerät TV: | LG OLED55B7D | Testgerät Player: | Panasonic UB9004 |
Psycho Trailer:
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