Inhalt (75%)
Edgar Wright ist ein Kinofan wie kaum ein anderer. Das bewies er schon mit seiner Cornetto-Trilogie (Shaun of the Dead, Hot Fuzz und The World’s End), in der er sich fröhlich durch verschiedene Jahrzehnte und Genres des Films zitierte. Seinen Bezug zu den 60ern hat er von den Eltern in die Wiege gelegt bekommen, die in dieser Zeit aufwuchsen und deren Schallplatten er pausenlos auflegte. Von seiner Mutter erfuhr er allerdings auch, dass sie bei einem Ausflug nach Soho (der Schmelztiegel der Swinging Sixties in London) dereinst belästigt wurde.
Und all diese Erfahrungen verarbeitete Wright dann im Skript zu Last Night in Soho, dessen Idee schon seit gut 15 Jahren in seiner Gedankenwelt existierte. Virtuos hat er nun eine Geschichte inszeniert, die sich an Roman Polanskis Ekel orientiert und die Mär von den tollen und ach so bunt-positiven 60ern ein wenig gerade rückt. Romantisiert wird hier jedenfalls nach kurzem Feelgood-Beginn gar nichts. Ganz im Gegenteil. Die Phantasiewelt, in die sich Ellie flüchtet, wird von geifernden Männern bevölkert, die, wenn sie ihren Willen nach schnellem Sex nicht bekommen, mit Denunzierung oder Gewalt antworten. Das Showbusiness der 60er ist kein ausgelassener Ort der Fröhlichkeit für Sandie, sondern einer, der von Unterdrückung und Zudringlichkeiten der Männer zeugt.
Während sich das Geschehen dabei immer mehr zu einem Psychothriller entwickelt, bezieht Last Night in Soho einen Großteil seiner Faszination aus dem 60ies-Flair sowie den fantastischen Kamerafahrten und Choreografien. Mit Letzterem sind nicht nur die Tänze an sich gemeint, sondern auch die teils virtuos inszenierten und gespielten Momente, in denen Anya Taylor-Joy und Thomasin McKenzie als Spiegelbilder der jeweils anderen agieren. Wie genau und akribisch das umgesetzt wurde, versetzt in Erstaunen. Da Wright auch in seinen früheren Filmen gerne visuelle Stilmittel ausgiebig ausschöpfte, kann man ihm hier natürlich vorwerfen, dass er seine Figuren in all diesen Kamerafahrten und Parallelwelten verliert.
Und ein wenig stimmt das auch. Allerdings bleibt dennoch auch die innewohnende Botschaft bestehen. Und die zeigt sich eben als erwachsene MeToo-Variante, in der zwei sehr starke Frauenrollen im Zentrum stehen. Und sie macht klar, dass es mit solchen Erfahrungen um die Gegenwart eben auch nicht besser bestellt ist als um die Vergangenheit – unbequem direkt zu Beginn des Films eingeschoben, als Ellie mit dem Taxi in London ankommt. Was der Chauffeur sich an dieser Stelle erlaubt, ist verbal massiv übergriffig und mit Sicherheit auch heute noch keine Seltenheit.
Wer aufgrund verschiedener Inhaltsbeschreibungen des Films jetzt einen durchweg schaurigen Horrorstreifen erwartet, der von Schrecksequenz zu Schrecksequenz hüpft, der wird zweifelsohne enttäuscht sein. Zum einen muss man das 60er-Jahre Flair umarmen und zum anderen auch mit der Thematik etwas anfangen können. Was man als Mix aus oben genanntem Ekel und einem Black Swan beschreiben kann, wird erst dann so richtig gruselig, wenn die gesichtslosen Typen auftauchen und Last Night in Soho entsprechend aggressive Soundeffekte einstreut.
Dann jedoch wechseln überraschende Wendungen mit schmerzhaften Wahrheiten und die Spannung intensiviert sich merklich. Wrights ambivalente Mischung aus Abrechnung und Liebeserklärung mit und an die 60er kann auf zwei durchweg überzeugende Hauptdarstellerinnen vertrauen, die nicht nur die technisch komplizierten Szenen souverän meistern, sondern auch in den emotionalen Momenten überzeugen. Nur schade, wie gesagt, dass ihre Figuren stets etwas unnahbar bleiben.
- Rigg, Diana, Stamp, Terence, Smith, Matt (Schauspieler)
- Wright, Edgar (Regisseur)
- Zielgruppen-Bewertung: Freigegeben ab 16 Jahren
- Last Night in Soho (4K/HDR) auf Prime Video leihen/kaufen
- Last Night in Soho (4K/HDR/Dolby Vision/Atmos) auf iTunes leihen/kaufen
Bildqualität (80%)
Zunächst vorab: Die UHD-BD erscheint solo. Also nicht im Paket mit der Blu-ray. Das macht sie günstiger, ohne dass man auf etwas verzichten müsste. Denn das Bonusmaterial ist auf beiden Scheiben identisch. Um den gröberen und körnigen Look des Films zu erreichen, ging man bei Last Night in Soho nicht den Weg, digital gedrehtes Material nachträglich mit einem Korn zu versehen, sondern nahm direkt auf 35-mm- und Super-35-mm-Film auf.
Zum Einsatz kam hier hauptsächlich die Panavision Panaflex Millennium XL2. Lediglich für die Nachtaufnahmen kam eine digitale Kamera zum Einsatz – und zwar die Alexa XT Plus. Schenkt man verfügbaren Quellen Glauben, erstellte man von dem gemischten Analog-Digital-Material lediglich ein 2K DI, was dann für die UHD-BD entsprechend hochskaliert werden musste. Obendrauf gab’s dann HDR10 und Dolby Vision als dynamische Kontrastformate und natürlich auch einen im Rahmen von Rec.2020 erweiterten Farbraum.
Von Letzterem sieht man zunächst nicht viel. Zumal die UHD-BD auch in puncto HDR nicht sonderlich zuschlägt. Tatsächlich ist es zunächst ziemlich grau und düster. Dafür aber im Himmel besser durchzeichnet und auch in Summe etwas kontrastreicher. Gesichter, die über die Blu-ray eher rosafarben erschienen, erhalten etwas mehr Grünanteil, was gerade noch als natürlich durchgeht. Die UHD Blu-ray spielt ihre Vorteile dann im späteren Verlauf aus – und das sichtbar. Die Neonlichter und bunten Leuchtmittel des nächtlichen Soho werden wesentlich klarer definiert dargestellt. Sie überstrahlen viel weniger und liefern dadurch sattere Farben. Gut zu sehen im unteren Bildvergleich. Hier kann HDR trotz der generell nicht gerade sehr hohen Grundhelligkeit und Grunddynamik deutlich mehr aus dem Material herausholen und es macht richtig Spaß. Dolby Vision grenzt sich nicht merklich ab, ist in hellen Szenen ein klein wenig dunkler gemastert.
- Rigg, Diana, Stamp, Terence, Smith, Matt (Schauspieler)
- Wright, Edgar (Regisseur)
- Zielgruppen-Bewertung: Freigegeben ab 16 Jahren
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Tonqualität (80%)
Ebenso wie das Bild sich erst im Verlaufe des Films öffnet und intensiver wird, verhält es sich mit dem Ton. Zu Beginn selbst in den Musikstücken äußerst unauffällig bis dünn, dominiert zunächst komplett die Front. Immerhin fährt nach sechs Minuten mal ein Trekker durchs Bild und liefert Stereoeffekte. Recht kräftig packt der Bass zu, wenn die zahlreichen Musikstücke über die Stereoanlage oder die Kopfhörer laufen.
Richtiggehend übel dröhnend schlägt er zu, wenn die Szenerie bei 17’25 in die Party wechselt. Wenn’s gewollt ist, okay. Aber wirklich toll klingt das in dem Moment nicht. Macht aber nichts, denn eigentlich beginnt der Film akustisch erst nach 25 Minuten, wenn Ellie erstmalig in ihre Traumwelt eintritt. Plötzlich werden alle Lautsprecher bedient und es entsteht eine offene und äußerst räumliche Klangparade. Musikstücke öffnen sich, Straßengeräusche umgeben den Zuschauer und die Menschen applaudieren rundherum.
Nehmen wir die Höhen-Ebene hinzu, so passiert (thematisch bedingt nachvollziehbar) ebenfalls erst einmal lange Zeit nichts. Und so verwundert es nicht, dass der Film seine Overheads auch erst dann zu nutzen beginnt, wenn Ellie erstmals in ihre Traumwelt eintritt. Das ist tatsächlich sogar richtig klasse gemacht, weil man sie zuvor sieht, wie sie sich ihre Bettdecke komplett über den Kopf zieht. Die 3D-Sounds des Scores und der Straßenatmosphäre mit hupenden Autos machen hier also schlicht deutlich, dass sich die Protagonistin in einem Traum befindet, der sie ganz eng umgibt. Und so bleiben diese Szenen praktisch dauerhaft leicht von oben unterstützt.
Das kann dann mal eine Türklingel sein oder das Raunen von Menschen auf den Straßen, das Klatschen der Leute im Theater oder ein Wecker, der Ellie aus der Traumwelt holt. Auch die Stimme des Ansagers kommt klar und deutlich mit von oben und wenn nach knapp unter 50 Minuten die Gruselatmosphäre auch akustisch unterstützt wird, ist das ebenso stimmungsvoll. So still wie die erste halbe Stunde war, so aktiv wird’s in der Folge. Und es gibt auch echte, direktionale Signale wie die Stimme, die Ellie bei 62’10 von oben hört oder auch die, die sie eine Minute später in ihrem Kopf wahrnimmt. Das gibt’s auch nach 93 Minuten noch einmal – inkl. einer folgenden Sirene. Und im Finale nach 104 Minuten wird’s von oben gar richtig dynamisch und schaurig. Das ist insgesamt gesehen eine sehr stimmige Atmos-Spur, die sehr gut zum Filmgeschehen passt.
- Deutsch/Englisch: Dolby Atmos (80%) 2D-Betrachtung
- Deutsch/Englisch: Dolby Atmos (70%) 3D-Betrachtung (Quantität)
- Deutsch/Englisch: Dolby Atmos (75%) 3D-Betrachtung (Qualität)
Bonus (80%)
Das Bonusmaterial von Last Night in Soho (identisch auf BD und UHD-BD) enthält zunächst fünf Featurettes über die Hauptdarsteller und ihre Rolle, über das Drehen auf den Straßen von Soho oder auch über Gestaltung des 60er-Jahre-Designs. Ebenfalls geht man auf die genial gelösten Spiegelungseffekte sowie auf die schaurige Darstellung der Gesichtslosen ein. Wahnsinn ist übrigens die erste Tanzszene.
Nicht nur mussten die Darsteller die Choreografie des Tanzes einstudieren und darauf klarkommen, dass die Steadycam um sie herum wirbelt, sondern aufgrund des One-Takes mit zwei “unsichtbar” wechselnden Hauptdarstellerinnen auch perfekt getimt vom Tanzpartner Abstand gewinne und hinter die Kamera verschwinden (oft geduckt), damit diese Illusion erhalten bleibt. Sechs entfallene Szenen sowie ein Featurette über die Animatics und das Musikvideo zu “Downtown” schließen sich an und werden vom Audiokommentar von Wright, Cutter Machliss und Komponist Price ergänzt. Obendrauf finden sich unter “Weitere Extras” noch einige Make-up und VFX-Tests.
Gesamtbewertung Last Night in Soho (78%)
Last Night in Soho zeigt, dass Regisseur Wright immer wieder für Überraschungen gut ist. Was er hier gezaubert hat, ist visuell und atmosphärisch wirklich berauschend. Allerdings geht Stil dann auch gerne mal über Substanz und etwas mehr Figurentiefe wäre wünschenswert gewesen. Oft lenkt das Optische vom Geschehen etwas ab und die zwei Stunden Laufzeit geraten schon mal etwas lang.
Dafür nimmt der Film nach 90 Minuten beträchtlich an Fahrt auf und überrascht immer wieder. Visuell sind BD und UHD-BD aufgrund der analogen Herkunft und anfänglichen Kontrastschwäche erst einmal gewöhnungsbedürftig. Die UHD-BD schlägt die BD aber im besseren Encoding und den wesentlich klareren und intensiveren Neonlichter.
- Rigg, Diana, Stamp, Terence, Smith, Matt (Schauspieler)
- Wright, Edgar (Regisseur)
- Zielgruppen-Bewertung: Freigegeben ab 16 Jahren
- Last Night in Soho (4K/HDR) auf Prime Video leihen/kaufen
- Last Night in Soho (4K/HDR/Dolby Vision/Atmos) auf iTunes leihen/kaufen
Technische Details & Ausstattung:
Erscheinungstermin: | 16. Dezember 2021 | Review am: | 23. Dezember 2021 |
Erscheinungsjahr Film: | 2021 | Laufzeit: | 163 Minuten |
Filmstudio: | Universal | FSK: | ab 12 Jahre |
Auflösung / Bildfrequenz: |
2160p @ 24p | Untertitel: |
Deutsch, Englisch |
Bildformat: |
2.39:1 / 16:9 | Tonspur: |
Deutsch Dolby Atmos Englisch Dolby Atmos |
High Dynamic Range: |
HDR 10 Dolby Vision |
Ausstattung: |
4K Blu-ray HD Blu-ray |
Testgerät TV: | LG OLED55B7D | Testgerät Player: | Panasonic UB9004 |
Last Night in Soho Trailer:
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