Inhalt (80%)
Allzu häufig kommt es nicht vor, dass ein Roman in Deutschland von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien auf den Index genommen wird – jedenfalls nicht, wenn es sich nicht um Untergrund-Schund aus den Niederungen der Gewaltfantasien oder aber um politisch extreme Inhalte handelt. Bret Easton Ellis schaffte es mit American Psycho jedoch, obwohl er weder Schmuddelautor, noch in der politisch Extremen zu finden war. Vier Jahre nach dem offiziellen Release seines Buchs indizierte die BPjM American Psycho und zwischen 1995 und 2001 blieb es dabei. Erst im Februar 2001 wurde die Indizierung aufgehoben, nachdem der Verlag, Kiepenheuer & Witsch, dagegen geklagt hatte. Erstaunlicherweise also sogar nach dem Kinostart der Verfilmung, die im September 2000 in die Lichtspielhäuser kam.
Der Grund für die Indizierung: Es sei „Menschenverachtend. Geeignet, Kinder und Jugendliche sozial, ethisch zu desorientieren. Anleitung zur Folterung von Frauen.“
Ganz Unrecht hat die Bundesprüfstelle damit nicht. Allerdings muss man natürlich auch immer den Kontext mit einbeziehen. Dem Film blieb das Schicksal des Verbots im Übrigen erspart. Freigegeben ab 16 Jahren löste aber auch er durchaus eine gewisse Kontroverse aus. Zwar spart sich die kanadische Regisseurin Mary Harron die übelsten Gewaltexzesse, bzw. lässt sie meist Off-Camera passieren, doch ihre Hauptfigur ist im Film nicht minder kaltblütig und emotionslos.
Christian Bale spielt den Patrick Bateman in der Verfilmung – und er tut es mit eiskalter Präzision. Man muss nicht unbedingt so weit gehen, Bale zu attestieren, dass seine Weltkarriere auf der Darstellung des Börsen-Yuppies fußt (immerhin hatte er zuvor schon bemerkenswerte Rollen), aber in American Psycho manifestiert sich, mit welcher Inbrunst er seine Figuren zum Leben erweckt. Man hat eigentlich nie das Gefühl, dass hier nur ein Schauspieler agiert. Bale könnte in seiner Erweckung der Figur tatsächlich als narzisstischer Serienmörder durchgehen. Man nimmt ihm jede Sekunde, jede Zeile und jede Geste ab. Nicht auszudenken, wenn tatsächlich (wie vom Studio eigentlich geplant) Leonardo DiCaprio die Titelfigur gespielt hätte. Nichts gegen DiCaprio. Aber anno 2000 hätte man dem doch noch sehr jungenhaften Schauspieler eine derartige Rolle sicherlich nicht so abgenommen wie dem kernigeren Bale.
Davon ab ist die Verfilmung des Romans vielleicht noch etwas mehr Satire als das Buch. Vielleicht hat den Film dies auch davor gerettet, geschnitten und/oder indiziert zu werden. Tatsächlich gelingt es Harron hervorragend, auf der einen Seite für eine gewisse übertriebene – und damit absurd-witzige – Stimmung zu sorgen, während einem auf der anderen Seite das Lachen schnell mal im Hals steckenbleiben kann. Wie das Buch auch seziert der Film genüsslich den Turbokapitalismus und entlarvt ihn als Blase, in der man zwar reich, aber im gleichen Maße auch emotional gleichgültig und im Inneren vollkommen leer werden kann. Der Film überträgt das nicht nur durch Bales hervorragendes Spiel auf den Zuschauer, sondern auch durch sein Design. Kühl, sachlich-modern und mit aktuellster Technik versehen ist Batemans Appartement. Alles hat seinen Platz und selbst wenn er später zum Killer wird, sorgt er dafür, dass auch ja kein Blutspritzer auf das teure Mobiliar gelangt.
Emotionen, so scheint es, hat Bateman nicht. Abseits von Minderwertigkeitskomplexen, die deutlich werden, wenn der Neid auf die schöneren Visitenkarten oder die besseren Restaurantplätze geäußert wird, scheint Patrick nichts zu empfinden. Wobei das nicht ganz stimmt. Denn in der Musik von Genesis und Phil Collins‘ Solowerken geht er dann doch auf. Aus deren Texten kann er frei rezitieren und Analysen zur Befindlichkeit der Gesellschaft ableiten. Dass er währenddessen Frauen behandelt wie Objekte, die man dirigieren kann und die zur bloßen Selbstbestätigung herhalten müssen, gab selbstredend genug Anlass für hitzige Debatten. Schon bei Veröffentlichung des Buchs meldeten sich diverse amerikanische Frauenrechtlerinnen, die sich gegen Ellis‘ Novelle stellten. Pikantes Detail: Eine der prominentesten Gegnerinnen des Buchs war Gloria Steinem – keine Geringere als Christian Bales Stiefmutter.
Und auch der Film hatte mit entsprechenden Vorbehalten bezüglich der gezeigten Gewalt – vor allem Frauen gegenüber – zu kämpfen. Natürlich ist es stets eine Gratwanderung, wenn man durch einen Film gewisse Verhaltensweisen kritisiert und sie anprangert, gleichzeitig aber visuell und erzählerisch nutzt, um sie darzustellen. Dass American Psycho aber als Gesellschaftssatire und nicht als Verherrlichung eines Psychopathen zu verstehen ist, daran sollte auch heute kein Zweifel bestehen.
- Bale, Christian, Leto, Jared, Witherspoon, Reese (Schauspieler)
- Harron, Mary(Regisseur)
- Zielgruppen-Bewertung:Freigegeben ab 16 Jahren
Bildqualität (80%)
American Psycho wurde seinerzeit natürlich analog gefilmt. Zum Einsatz kamen damals Panavision-Kameras mit 35-mm-Filmmaterial. Davon zog man vor zwei Jahren ein neues 4K-Master, als für die US-UHD-Blu-ray von Lionsgate ein echtes Upgrade erstellt wurde. Dieses Material hat Koch Films nun lizensiert und bringt es hierzulande heraus, ohne noch einmal technisch Hand angelegt zu haben. Was nicht wirklich schlimm ist, denn das HDR-Master inklusive Dolby Vision liefert den Film in einer bis dato nicht gekannten Qualität ab. Die Blu-ray von Concorde, die zuvor existierte, kommt dagegen nicht mal ansatzweise heran.
Grundsätzlich kann und muss man der 4K-Scheibe attestieren, dass sie aus dem vorhandenen Material das Beste herausholt. Abgesehen von zwei Szenen, in denen der Himmel im Hintergrund arg körnig und grob wird (49’47, 85’10) ist die Bildruhe gut. Die Körnung bleibt in aller Regel filmisch, wirkt im Gegensatz zur neuen Blu-ray hier und da aber ganz leicht gefiltert. Wohlgemerkt GANZ LEICHT und absolut nicht zu vergleichen mit der alten Blu-ray, die oft wachsige Oberflächen hatte. Ungeübte Augen werden das nicht sehen.
Wirklich gelungen sind Farbwiedergabe und Kontrastdynamik. Zwar gibt’s hin und wieder Szenen, in denen Details ganz leicht im Schwarz untergehen, aber Absaufen tut’s hier nicht – und schon gar nicht durchgehend. Gegenüber der neuen Blu-ray wirken Gesichter etwas neutraler, was aber im Bereich von Nuancen liegt. Nicht ganz so schön ist der Moment der elektrisierenden Körnung auf dem leicht überstrahlenden Rücken nach 39’50, den die UHD-BD ebenso wie die neue Blu-ray auch aufweist. Umso schöner, dass trotz der hier und da scheinbar etwas gefilterten Momente in den Totalen von Städten oder großen Gebäudeansammlungen die Kornstruktur feiner erhalten ist.
Während die neue BD in puncto Körnung zwar wirklich gut und authentisch ist, kann die UHD-BD hier mit der höheren Datenrate und dem effizienteren Codec auch noch feine Körnung auf uniformen Oberflächen darstellen, wo die Blu-ray Pixel nicht mehr fein differenziert und (bei genauem Hinsehen) matschig wirkt (85’00). Übrigens: Ausschließlich die Unrated-Fassung hat eine 4K-Grundlage. Die ebenfalls enthaltene R-Rated (leicht gekürzt in der Dreier-Bettszene) basiert auf einem älteren Master und ist nicht mal in puncto Bildverschmutzungen bearbeitet worden. Die Unrated hingegen enthält eben jene Szenen des Flotten Dreiers, von denen zwei Momente allerdings mit Untertiteln belegt und nicht nachsynchronisiert wurden.
- Bale, Christian, Leto, Jared, Witherspoon, Reese (Schauspieler)
- Harron, Mary(Regisseur)
- Zielgruppen-Bewertung:Freigegeben ab 16 Jahren
Tonqualität (70%)
Beim Ton gab es seinerzeit bereits DTS HD-Master und dabei bleibt es nun auch. Das heißt konkret: Auch die neue Blu-ray hat die identischen Tonspuren wie jene von 2020. Was so schlimm nicht ist, da sie rein qualitativ für einen 20 Jahre alten Film durchaus überzeugen. Die Filmmusik (zahlreiche Hits der 80er) kommen meist räumlich und oft sogar dynamisch aus den Speakern. Die Verständlichkeit der Dialoge ist wirklich gut – selbst wenn sie insgesamt ein wenig dünn und etwas hohl klingen. Wenn Patrick dann zu seinen mörderischen Attacken ausholt und die Kettensäge das Zepter übernimmt, wird’s sogar erstaunlich laut. Natürlich fehlt es insgesamt etwas an Druck und Volumen, aber gut (an)hörbar ist der Ton dennoch.
- Deutsch: DTS HD-Master (70%)
- Englisch: DTS HD-Master (75%)
Bonus (70%)
Das Bonusmaterial beginnt mit zwei Audiokommentaren (einer von Regisseurin Mary Harron, der andere von Drehbuchautorin Guinevere Turner). Auf der 4K-Scheibe finden sich zudem Trailer und eine Bildergalerie. Die neue Blu-ray enthält das identische Material. Hinzu kommt Disk #3, die den Film (wer’s braucht) noch mal auf DVD enthält.
Disk #4 ist dann ebenfalls eine DVD, die noch mal ein paar Extras enthält. Darunter diverse Interviews und einige Featurettes – bspw. „From Book to Screen“ oder „The 80s Downtown“ und „The Story of American Psycho“. Im Behind the Scenes geht’s dann kommentarlos zu – eher eine B’Roll. 19 Minuten an entfallenen Szenen komplettieren das Angebot. Die Extras auf der DVD sind (im Gegensatz zu den Audiokommentaren auf BD und UHD-BD) untertitelt.
Gesamtbewertung American Psycho (76%)
American Psycho ist bis heute eine wirkungsvolle und vor allem eiskalt-präzis gespielte Gesellschaftssatire mit einem glänzenden Christian Bale in der Hauptrolle. Für viele Filmfans sicherlich nach wie vor starker Tobak – aber eben auch ein Film, mit dem sich die Auseinandersetzung lohnt. Lohnenswert ist auch die 4K UHD als bisher beste Möglichkeit, American Psycho zu sehen. Gleichsam gut ist die neue Blu-ray, die nur in puncto Encoding den Kürzeren zieht und ansonsten sehr ähnlich (gut) aussieht.
- Bale, Christian, Leto, Jared, Witherspoon, Reese (Schauspieler)
- Harron, Mary(Regisseur)
- Zielgruppen-Bewertung:Freigegeben ab 16 Jahren
Technische Details & Ausstattung:
Erscheinungstermin: | 01. Juli 2021 | Review am: | 24. Juli 2021 |
Erscheinungsjahr Film: | 2000 | Laufzeit: | 128 Minuten |
Filmstudio: | Koch Films | FSK: | ab 16 Jahre |
Auflösung / Bildfrequenz: |
2160p @ 24p | Untertitel: |
Deutsch, Englisch |
Bildformat: |
2.35:1 / 16:9 | Tonspur: |
Deutsch DTS HD MA 5.1 Englisch DTS HD MA 5.1 |
High Dynamic Range: |
HDR 10 Dolby Vision |
Ausstattung: |
4K Blu-ray HD Blu-ray |
Testgerät TV: | LG OLED55B7D | Testgerät Player: | Panasonic UB9004 |
American Psycho Trailer:
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