Inhalt (75%)
Ad Astra ist der Terrence Malick unter den SciFi-Filmen. Wenn man sich diesen Satz kurz auf der Zunge zergehen lässt, ist bereits klar, dass man hier keineswegs einen Science-Fiction-Actioner erwarten sollte. Nach zahlreichen Genrefilmen, die in den letzten Jahren eine gewisse Renaissance im klassischen SciFi-Genre ausgelöst haben (Gravity, Passengers, Life oder auch Arrival), hatte die Bekanntgabe, dass Brad Pitt in einem Weltall-Film mitspielen würde, für hohe Erwartungen gesorgt – und viele Zuschauer letztlich enttäuscht. Denn Ad Astra ist einfach überhaupt nicht das, was man zunächst vielleicht annimmt oder sich gewünscht hatte. Mit vielen Elementen, die man ansonsten eben von den Filmen Malicks kennt (wie beispielsweise die selbstreflexiven Monologe, die fließenden Bilder oder die gedehnt gesprochenen Dialoge), verfolgt Regisseur James Gray seinen bisher eingeschlagenen Weg. Und der ist weit mehr Independent und Arthaus als Blockbuster-Mainstream. Weiß man um diese Tatsache, lässt man entweder die Finger von Ad Astra oder wendet sich ihm umso aufgeschlossener zu.
Ohnehin ist relativ schnell klar, dass SciFi hier nur die Oberfläche bietet für eine Geschichte, die ganz offen von Jospeh Konrads Heart of Darkness inspiriert ist – also eher ein Apocalypse Now im Weltraum. Die Figur des Roy ist unverkennbar dem Willard nachempfunden, während Vater Clifford möglicherweise in Colonel Kurtz seine Entsprechung findet. Beinahe meditativ geraten die Selbstreflexionen, an denen Roy den Zuschauer auf seinem Weg durchs All immer wieder teilhaben lässt. Dieser Ingenieur, der zum Astronauten wird, begeht nicht nur eine Reise zum Mond, zum Mars und final zum Neptun, sondern vor allem eine ins eigene Ich. Während dieser ganzen verstreichenden Zeit hat er die Möglichkeit nachzuforschen, wo seine Gefühle hin sind und was das Verschwinden des Vaters mit ihm angestellt hat.
Schon zu Beginn gibt es eine Szene, die bezeichnend ist: Roy referiert in Vorbereitung auf die Reise zu den Sternen seine pragmatische und betont ruhige Gefühlslage. Er würde nur pragmatische Entscheidungen treffen und sich nicht von unwichtigen Dingen ablenken lassen. Beim Wort „unwichtig“ verlässt seine Frau gerade (scheinbar für immer) das gemeinsame Heim, während Roy kühl und gelassen hinterher schaut. Wirklich emotional scheint er schon lange nicht mehr gewesen zu sein. Er selbst sagt, dass sein Äußeres Ich, sein Verhalten nur eine Fassade ist – eine Show für die Anderen; seine Frau wirt ihm vor, selbstzerstörerisch zu sein.
Im Laufe der folgenden zwei Stunden begleiten wir Roy auf diesem Weg in seine Gefühlswelt, was bereits eine Herausforderung ist. Unabhängig davon, dass Brad Pitt eine herausragende, sehr erwachsene Leistung bietet, die durchaus oscarwürdig ist, findet man nur sehr schwer in diesen Kerl hinein, der sich hinter einer Mauer aus Rationalität versteckt. Nach und nach pellt Ad Astra dann aber eine Schicht nach der anderen von diesem emotionslosen Block herunter. Wir erfahren, dass Roy eine tiefe Wut empfindet und dass er nicht so sein möchte wie sein Vater. Immer mehr gibt der Film von seiner Hauptfigur preis und Pitt macht das wirklich hervorragend. Leider trägt das aber nicht dauerhaft über die zwei Stunden. Oftmals entstehen doch zähe Phasen – vor allem ab der Ankunft auf dem Mars. Hier scheint das Drehbuch nicht so recht weiter gewusst zu haben und es beginnt, sich im Kreis zu drehen. Und dabei haben wir noch nicht einmal von den Logikproblemen gesprochen: Muss Roy wirklich zum Mars, um von dort eine Botschaft zu senden? Hätte man das Ganze nicht auf der Erde aufnehmen, zum Mars schicken und von dort weiterleiten können? In den etwas zähen Momenten auf dem Mars hat man „leider“ genug Zeit, um seine Gedanken in eine solche Richtung zu lenken.
Außerdem fallen bei der Konzentration auf die Person des Roy gesellschaftskritische Aspekte wie der Kampf um Ressourcen oder das „Weltenfresser“-Syndrom, das er anspricht (und damit meint, dass die Menschen auf dem Mond einfach so weiter machen wie auf der Erde), komplett hinten rüber – einmal kurz erwähnt und wieder vergessen. Da passt es, dass die Episode mit den Weltraumpiraten und die (zugegebenermaßen spektakuläre) Verfolgungsjagd auf dem Erdtrabanten wie ein Fremdkörper in der Geschichte wirkt. Auch die für die Story vollkommen irrelevante Episode auf der norwegischen Forschungsstation (und damit der Zwischenfall mit den Primaten) wirkt wie ein Zugeständnis an den Mainstream-Gucker. Während diese beiden Szenen zwar wirklich spannend geraten sind, passen sie einfach nicht zum Rest und bewirken eine Unentschlossenheit.
Sie offenbaren gleichzeitig, wie dünn die Story eigentlich ist. Dennoch: Als meditatives SciFi-Drama hat Ad Astra seinen Reiz und kann vor allem aus optischer Sicht vollkommen überzeugen – und zwar auch (und vor allem) bei der Verfolgungsjagd der Mond-Rover. Gedreht in den Dumont Dunes in der Mojave-Wüste, nutzte man eine Kombination aus 35mm-Kamera mit regulärem Film und einer parallel montierten Digitalkamera, die nur das Infrarot-Spektrum aufnahm. Beide Kameras zeichneten den gleichen Ausschnitt auf und die Ergebnisse wurden in der Postproduktion übereinander gelegt. Das Resultat sind Bilder, auf denen der Himmel extrem dunkel ist, während Objekte kontraststark erscheinen – die Illusion im Film ist perfekt. Optik, Intimität und Schauspiel – das sind die Stärken von Ad Astra, den man sicherlich lieben oder hassen wird. Dazwischen ist nicht viel Spielraum.
- Pitt, Brad, Jones, Tommy Lee, Negga, Ruth (Schauspieler)
- Gray, James (Regisseur)
- Zielgruppen-Bewertung: Freigegeben ab 12 Jahren
Bildqualität (85%)
Ad Astra wurde bis auf wenige Zusatzaufnahmen (Infrarot-Kamera-Nutzung bei der Actionszenen auf dem Mond) analog auf 35mm-Filmmaterial aufgenommen. Dies ermöglichte Kameramann Hoyte van Hoytema die filmische Körnung zu nutzen und so einen authentischen Look nach Vorbildern wie 2001 – Odyssee im Weltraum zu schaffen. Ausgehend von diesem 35mm-Material schwankten die üblichen Quellen gleich einige Mal hin und her, was das Digital Intermediate von Ad Astra angeht. Zunächst als 4K-DI beschrieben, wurde es plötzlich auf ein 2K-DI abgeändert, nachdem man die Aussage eines „Insiders“ gelesen hatte. Doch auch dabei blieb es nicht — zumindest nicht, wenn man der Aussage von Company3 trauen kann. Die Spezialisten in Sachen Color Grading und weiteren Postproduktions-Bereichen schreiben in ihrem kurzen Bericht zur Arbeit an Ad Astra, dass das 35mm-Filmmaterial in 6K gescannt und danach in 4K finalisiert wurde. Wäre es so, würde das erklären, warum bei genauer Betrachtung viele Details wesentlich feiner und besser aufgelöst zum Auge gelangen als über die Blu-ray. Ob das Schriften in den Raumfähren/Raketen-Cockpits sind, Feinheiten auf Gesichtern oder (wie unten im Screenshot) entsprechende Strukturen auf dem Space Shuttle. Auch die analoge Körnung wirkt feiner und höher aufgelöst.
Für intensivere Kontraste und Farben sorgt eine Standard-HDR10-Dynamik sowie ein im Rahmen von Rec.2020 erweiterter Farbraum. HDR10+ gibt’s interessanterweise nicht – und das, obwohl Fox bisher der konsequenteste Vertreter war, der das dynamische Konkurrenzformat zu Dolby Vision auf die UHDs presste. Aber auch ohne HDR10+ kann die Kontrastdynamik der UHD überzeugen. Nicht unbedingt zwingend in Sachen Spitzlichtern bei Sternen, die über die Blu-ray ähnlich hell wirken, dafür aber bei den hellen Übergängen. Wo die Blu-ray teilweise massiv überstrahlt und zwischen weißem Helm und weißen Wolken nicht mehr differenziert, zeichnet die UHD durchweg besser durch. Die Tatsache, dass die UHD deutlich dunkler abgemischt ist, wird ihr in den dunkleren Szenen gleichzeitig nicht zum Verhängnis. Zwar ist alles etwas düsterer, bleibt aber in dunkler Seh-Umgebung dennoch erkennbar. Wirklich klasse sind die teils sichtbar kräftigeren Farben. Ob das der orangefarbene Anzug Roys zu Beginn ist oder die Ansicht des einen oder anderen Planeten. Auch Hauttöne wirken angenehmer und wärmer. Selbst wenn die objektivbedingten Randunschärfen und einige wenige sehr softe Shots auch hier nicht besser werden, so fällt zumindest auch das leichte Banding bei den hellen Planeten-Umrandungen weg. Insgesamt das deutlich bessere Bild, wenn man’s mit der Blu-ray vergleicht.
- Pitt, Brad, Jones, Tommy Lee, Negga, Ruth (Schauspieler)
- Gray, James (Regisseur)
- Zielgruppen-Bewertung: Freigegeben ab 12 Jahren
Tonqualität (95%)
Typisch für Fox: Der deutsche Ton kommt lediglich in regulärem dts. Typisch aber auch für den Anbieter: Meist macht das gar nichts. Mit bohrendem Score, der unheilschwanger aus den Speakern tönt, bis er von einer Fanfare abgelöst wird, beginnt Ad Astra. Die großartige und sphärische Filmmusik von Max Richter ist ohnehin ein Highlight des Films und wird von der dts-Spur sauber reproduziert. Vielleicht könnt es hier und da noch etwas breiter aufgestellt sein, etwas orchestraler wirken, aber insgesamt ist das schon sehr angenehm anzuhören. Gleiches gilt auch für das warme Organ von Tobias Meister, der Synchronstimme von Brad Pitt. Dessen selbstbezogener Monolog zu Beginn kommt sehr präsent aus dem Center. Noch stärker gilt das für die Momente, in denen er sich direkt an den Zuschauer wendet, kurz nach seinem Rapport an die Basis. Tatsächlich ist die Stimme oftmals in der Synchro griffiger als im Original, was natürlich auch an Tobias Meister selbst liegt, der sonorer klingt als Brad Pitt.
Erstmalig richtig zu tun bekommen die Tonspuren bei dem Bass-Sweep und der entsprechenden Attacke kurz vor der Meldung der Überspannung. Was hier fast aus dem Nichts anrauscht, ist für jeden Speaker und jeden Receiver eine Herausforderung. Und erfreulicherweise muss sich die dts-Fassung hier keineswegs hinter der dts-HD-Variante des Originals verstecken. Ein klein wenig druckvoller mag die unkomprimierte Version sein. Wer das im direkten Vergleich hört, hat aber schon gut ein sehr gutes Akustikgefühl. Und wer „nur“ die dts-Spur hört, kann sich wirklich über nichts beschweren. Druck bei den immensen Explosionen, Räumlichkeit beim Umherfliegen der Trümmerteile, flatternde Windgeräusche beim Eindringen Roys in die Atmosphäre – das alles klingt so einnehmend, dass es eine echte Freude ist. Und wenn bei 21’17 die Trägerrakete startet, wird das fast so brutal wiedergegeben wie zuletzt in der Doku zu Apollo 11.
Während der deutsche Ton für die UHD bei regulärem dts verharrt, gibt’s für den O-Ton eine Atmos-Fassung. Diese klingt ausgehend von der bereits vorzüglichen dts-HD-Master-Version der Blu-ray auf der regulären Ebene schon einmal sehr vergleichbar und ähnlich. Wer hier Unterschiede hören möchte, muss sehr häufig zwischen BD und UHD hin- und herschalten. Insgesamt wirkt die Atmos-Spur aber eben etwas räumlicher, weil sie sich natürlich auch nach oben hin öffnet. Und da sie das auch schon während des Scores zu Beginn tut und nicht nur einzelne direktionale Sounds erzeugt, ist die Immersion häufiger rundum vorhanden als bei vergleichbaren Filmen, die den Soundtrack nicht über die Heights laufen lassen. Gleiches gilt auch für die Sprach-Monologe von Pitt. Auch diese kommen oftmals zusätzlich über die 3D-Speaker, was bisweilen für Gänsehaut sorgt, weil es so vereinnahmend klingt.
Auch der Unfall an der Space-Antenne wird aus der Höhe unterstützt, was insgesamt für einige der spektakulärsten Soundsequenzen der letzten Monate sorgt – grandioses Tondesign, das unbedingt eine Oscar-Nominierung verdient hat. Durchsagen, die auf der Mondbasis gemacht werden, gelangen natürlich ebenso auf die Höhen-Speaker und nach ein paar Attacken der Affen, hört man den Schalter zur Luftschleusenöffnung nach knapp 45 Minuten deutlich von oben. Ein nächstes Highlight ist dann der fast verunglückende Landeanflug auf den Mars, bei dem ein Energiestoß für Turbulenzen sorgt, die schön rumpelig rundherum ertönen. Ebenfalls wird man vom Wasser nach 70’37 und vom Funkenflug nach ~71 Minuten in die Mitte genommen. Der Start der Rakete kurz darauf sowie die Alarmsirene halten daraufhin das 3D-Soundniveau auf hohem Level. Bei 102’40 rotiert dann noch der Flügel über den Köpfen und der Flug der Rakete nach 108 Minuten sorgt erneut für hohe Dynamik. Zwar bleiben die 3D-Soundattacken nicht dauerhaft so hochwertig wie in den ersten 30 Minuten, was aber angesichts des Geschehens, das in der zweiten Hälfte betont ruhiger ist, nicht verwunderlich ist.
- Deutsch: Dolby Digital Plus 5.1 (95%) 2D-Betrachtung
- Englisch: Dolby Atmos (95%) 2D-Betrachtung
- Englisch: Dolby Atmos (60%) 3D-Betrachtung (Quantität)
- Englisch: Dolby Atmos (90%) 3D-Betrachtung (Qualität)
Bonus (60%)
Im Bonusmaterial zu Ad Astra finden sich neben dem Audiokommentar von James Gray (den auch die UHD liefert) noch ein paar Featurettes, die allesamt über die Blu-ray abrufbar sind. In „Zu den Sternen“ erzählen die am Film beteiligten Darsteller und technischen Berater, wie sie zum Thema Raumfahrt stehen. „Ein Mann Namens Roy“ beleuchtet Pitt als Darsteller, seinen Charakter im Film und die Kooperation zwischen ihm und Regisseur Gray. „Die Crew der Cepheus“ charakterisiert ein wenig die kommerzielle Raumfahrt und die Besatzung der Transportfähren. „Das Design von Ad Astra“ schaut Kameramann Hoytema über die Schulter, während er die toll gestalteten Stationen und Shuttles filmt. Dazu sehen wir, wie viel Liebe die Setdesigner in ihre Arbeit gesteckt haben. Im Audiokommentar lässt sich Gray übrigens ein wenig über die Fox-Übernahme durch Disney aus — im Unterton mag man meinen, dass er es durchaus kritisch sieht. Ansonsten lässt uns Gray an seinen Gedanken zum Film teilhaben. Wer also nach dem Sichten von Ad Astra ein paar Verständnisfragen zur Story und deren Deutung hat, der ist hier gut aufgehoben.
Gesamtbewertung Ad Astra (85%)
Ad Astra ist meditativ, ruhig erzählt und optisch fantastisch umgesetzt. Was Ad Astra nicht ist, ist ein packend erzählter SciFi-Actioner. Wer sich von der Besetzung und dem Genre mehr als einen intimen Blick in die Psyche eines Menschen erwartet hatte, wird zwangsläufig enttäuscht werden. Anhänger von Apocalypse Now (vor allem jene, die den psychologischen Unterton lieben) sollten hier aber definitiv einen Blick riskieren. Und Arthaus-Freunde werden aufgrund des intensiven Schauspiels und der durchaus bewegenden Vater-Sohn-Story bedient.
Optisch kann sich die UHD teils deutlich von der Blu-ray absetzen. Sie ist sichtbar besser aufgelöst, kräftiger in den Farben und harmonischer in der Kontrastgebung. Außerdem kann sie mit einem englischen Atmos-Sound glänzen, der einige wirklich innovative und tolle 3D-Sounds bietet. Die deutsche dts-Fassung von BD und UHD ist auf der regulären Ebene aber immerhin ähnlich gut und druckvoll.
- Pitt, Brad, Jones, Tommy Lee, Negga, Ruth (Schauspieler)
- Gray, James (Regisseur)
- Zielgruppen-Bewertung: Freigegeben ab 12 Jahren
Technische Details & Ausstattung:
Erscheinungstermin: | 06.02.2020 | Review am: | 02.02.2020 |
Erscheinungsjahr Film: | 2019 | Laufzeit: | 123 Minuten |
Filmstudio: | Fox | FSK: | ab 12 Jahre |
Auflösung / Bildfrequenz: |
2160p @ 24p | Untertitel: |
Deutsch, Englisch |
Bildformat: |
2.39:1 / 16:9 | Tonspur: |
Deutsch DTS 5.1 Englisch Dolby Atmos |
High Dynamic Range: |
HDR 10 | Ausstattung: |
4K Blu-ray HD Blu-ray |
Testgerät TV: | LG OLED55B7D | Testgerät Player: | Panasonic UB9004 |
Ad Astra Trailer:
Transparenz: Dieser Artikel enthält Affiliate-Links. Wenn ihr auf diese klickt, werdet ihr direkt zum jeweiligen Anbieter weitergeleitet. Falls ihr einen Kauf tätigt, bekommen wir eine geringe Provision. Für euch bleibt der Preis unverändert. Vielen Dank für eure Unterstützung!