Streaming und lineares Fernsehen lassen sich nicht 1:1 vergleichen. Das behauptet zumindest eine neue Studie des Rheingold Instituts. So demonstrieren die Ergebnisse der Untersuchung, dass sich das Nutzungsverhalten der Anwender bei den beiden medialen Angeboten stärker unterscheidet, als man bisher angenommen hatte.
Allerdings sollte man die Ergebnisse der Studie freilich mit großer Vorsicht genießen: Denn der Auftraggeber ist RTL Deutschland. Trotzdem lesen sich die Ergebnisse durchaus spannend und in Teilen auch nachvollziehbar. So kommt die Studie etwa zu der Ansicht, dass das lineare Fernsehen durchaus noch seinen Sinn habe. Die Regelmäßigkeiten und Routinen des Programms hätten einen positiven Einfluss auf die Gliederung des Alltags. Beispielsweise könnten Nachrichten als fester Meilenstein den Abend einläuten. Der „Tatort“ hingegen sei als Abschlussritual des Wochenendes geeignet.
Online-Streaming funktioniere wiederum genau umgekehrt: Zwar könne man die zeitliche Unabhängigkeit und die permanente Verfügbarkeit der reichhaltigen Inhalte als Vorteil sehen, das verlockende Binge-Watching berge aber auch die Gefahr den Alltag durcheinander zu bringen. Es wirkt allerdings schon ein wenig ironisch, dass die Studie als Gefahren die mögliche Streaming-Sucht und soziale Isolation anführt. Denn genau diese Risiken wurden in den Anfangszeiten des Fernsehens, insbesondere auch des Privatfernsehens mit gesteigerter Programmauswahl, genau so ins Spiel gebracht.
Vom linearen Fernsehen gehe laut der Studie weniger Gefahr aus, weil das Programm klar strukturiert sei – Programmanteile klar voneinander abgegrenzt und in sich abgeschlossen seien. Entsprechend klingt auch die Interpretation weit hergeholt, dass das lineare Fernsehen den Alltag eher begleite, während das Streaming den Zuschauer aus dem Alltag in eine Welt des Eskapismus entreiße.
Studie mutet sehr technikdeterministisch an
Diese Ansicht mutet sehr technikdeterministisch an. Sprich: Die Art der Nutzung werde demnach durch das Medium bestimmt. In der Forschung ist man mittlerweile aber zu dem Paradigma gewechselt, dass der Nutzer aktive Entscheidungen darüber trifft, wie er ein Medium nutzt. Diese Entscheidungsgewalt fällt hier weitgehend unter den Tisch in den Interpretationen.
Denn schließlich kann jeder Zuschauer selbst entscheiden wann und wie er das Streaming nutzt. Diese Freiheit kann schließlich umgekehrt, folgt man der Argumentation des Rheingold Instituts, auch dazu führen, dass der Alltag effizienter strukturiert wird. Weil eben eine Sendung ohne Reue abgebrochen werden kann, wenn eine wichtige Aufgabe oder ein Treffen mit Freunden ansteht. Während das lineare Fernsehen nach dieser technikdeterministischen Ansicht mehr Druck aufbaut vor dem Kasten hocken zu bleiben, bis der Programmteil abgeschlossen ist.
Insofern könnte man die Interpretationen des Rheingold Instituts natürlich relativ leicht als einseitig kritisieren. Es werden kausale Zusammenhänge konstruiert, welche in jener weitreichenden Form durch die Datenbasis wohl eher nicht gegeben sind. Befragt hatte das Institut im Auftrag von RTL Deutschland 110 Menschen aus unterschiedlichen Altersgruppen, welche sowohl lineares Fernsehen als auch Streaming bzw. VOD-Angebote nutzen.